Geist & Papier

Erkrankt auf dem Wege
suchte ich Pflege
in einsamer Klause am Maar,
der Mönch hieß mich bleiben,
lehrte mich Schreiben
in meinem dreißigsten Jahr.

Das Wunder der Zeichen,
war Trost sondergleichen
und fand mich in Ehrfurcht bereit,
ein heiliger Schauer -
die Sprache der Dauer
über die Grenzen der Zeit.

Ehe sie schwinden
Gedanken zu binden
im Federschwung, zierlich und zart,
durch Linien und Kreise
auf zaubrische Weise
vor dem Vergessen bewahrt.

Dass mancherlei Ding
dem Gedenken entging
schien mir Sünde und Frevel und Spott,
um nichts zu verlieren
die Welt zu kopieren
war Reinheit und Nähe zu Gott.

Ein Buch war die Pforte,
ich wählte die Worte,
schrieb sorgsam mich selber hinein,
jedes Fühlen und Sinnen
bewahrt' ich darinnen,
da hörte der Mensch auf zu sein.

Erstarrt in der Stille,
nur Wissen und Wille,
gefesselt ans Heute und Hier,
tintene Gitter
Reinheit schmeckt bitter
im Kerker aus Geist und Papier.

Während jenseits der Seiten
die Seelen entgleiten
und Zeit wie im Traume verfließt,
muß ich verweilen
im Zaume der Zeilen
und leben, solang man mich liest.

Erkrankt am Vergehen
fand ich Bestehen
in einer Klause am Maar.
Um ewig zu bleiben
lernte ich Schreiben
in meinem dreißigsten Jahr.

Eva, 26. September 2004
Für Ju